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 Kuniyoshi 'Raiko'
 Kuniyoshi 'Raiko'

 

Bemerkungen zu Kuniyoshi: Raiko und die Erdspinne

In dem schmalen Taschenbuch von Berndt Schulz "Sagen aus Japan" (Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag 1979) begegnet uns unter dem Kapitel ‚Heldensagen‘ die Geschichte "Raiko und Watanabe". In der zweiseitigen Erzählung wird uns ein kurzes Abenteuer geschildert, das Raiko, der Fürst Minamoto Yorimitsu (944-1021) zu bestehen hat. Minamoto ist ein Clans-Name, der von dem 810-823 regierenden Kaiser Saga vergeben wurde. Minamoto Yorimitsu wurde unter der Regierung des Kaisers En’yu, der 970-984 regierte, damit beauftragt, Räuberbanden, die Kyoto und die benachbarten Provinzen unsicher machten, zu verfolgen. In Erfüllung dieses Gebotes rottete er diese sämtlich aus. In der Geschichte bei Bernd Schultz werden aus den Räubern böse Geister, die es zu bekämpfen gilt. Unglücklicherweise erkrankte Raiko zu dieser Zeit und bat deshalb seinen Getreuen Watanabe, an seiner statt das Abenteuer zu bestehen. Dieser stellte letztendlich den größten Übeltäter, eine Erdspinne, und tötete ihn. Spinnen sind in Japan oft ein Symbol für Zauberei. Im Text wird die Gestalt auch als Oni bezeichnet, also als riesenhafter, menschenfressender Dämon. Eine andere Geschichte über Raiko und einige seiner Gefolgsleute liest man bei Marianne Lewinsky-Sträuli in dem Buch "Japanische Dämonen und Gespenster. Geschichten aus zwölf Jahrhunderten" (München, Eugen Diederichs Verlag 1989). Dort kämpft Raiko in der Geschichte "Yorimitsu und der Shutendoji" ebenfalls gegen einen Oni. Eiko Kondo spricht in seinem Katalog "Japanische Gespenster. Holzschnitte, Alben und Handzeichnungen des 18. und 19. Jh. aus der Sammlung Felix Tikotin" (Köln, Ausstellung des Museums für Ostasiatische Kunst 1980) von Bühnenaufführungen dieser Geschichte. Daneben erwähnt er "ein bekanntes Triptychon" von Kuniyoshi zu diesem Thema, auf das ich gleich in der Hauptsache eingehen will. Er bildet selbst einen Farbholzschnitt von Yoshitoshi mit dem Titel "Minamoto Yorimitsu tsuchigumo o kiru zu" (Darstellung des Minamoto Yorimitsu, der die Erdspinne tötet) in Farbe ab. Das gleiche Blatt sehen wir bei Siegbert Hummel in dem Heft "Das Gespenstige in der japanischen Kunst" (Leipzig, Otto Harrassowitz 1949) in einer schwarzweißen Abbildung. Hier finden wir auch eine Darstellung des Yorimitsu, wie er das Haupt des Shutendoji abschlägt und das ihm noch im Tode den Kopf abzubeißen droht, in einer Darstellung von Hokusai, die auch bei Lewinsky-Sträuli zu sehen ist. Eine Darstellung, die die Gefolgsleute des Raiko beim Go-Spiel zeigt, existiert als Triptychon von Kuniyoshi. Nur das mittlere Blatt des 1861 gedruckten Werkes ist mit ‚Ichiyusai Kuniyoshi‘ signiert und wurde bei Yamaguchi-ya verlegt. Die äußeren Blätter sind im Katalog von Friedrich W. Heckmanns "Ukiyo-e. Japanische Farbholzschnitte des 19. Jahrhunderts Schenkung Dr. Hans Lühdorf. Bilder einer fließenden vergänglichen Welt" (Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof 1990) schwarzweiß abgebildet, das komplette Triptychon in einem Auktionskatalog ("Japanese Prints, Illustrated Books and Paintings" London, Sotheby’s 15.4.1987), ebenfalls schwarzweiß. Auf dieser Darstellung, die links Toneri Genjitsuna, mittig Sadamitsu und rechts Shumenosuke sakata no Kintoki zeigt, sieht man diese Haudegen, wie sie, beim Spiel gestört durch Dämonen, zweien von diesen Go-Steine in die weit aufgerissenen Mäuler stopfen. Auf dem schon oben angesprochenen Triptychon von Kuniyoshi, dessen Originaltitel ich in der Literatur nicht fand und das ich hier "Raiko und die Erdspinne" nenne, sieht man auf dem rechten Blatt den kranken Raiko, hinter dem die Erdspinne ihn in ihrem Netz zu fangen droht. Vor Raiko sitzt einer seiner Getreuen. Auf dem mittleren Blatt widmen sich zwei der Gefolgsleute dem Go-Spiel. Auf dem linken Blatt sieht man ebenfalls einen Gefolgsmann. Es sind, so zählt sie Werner Speiser in seinem kleinen Katalog "Kuniyoshi (1798-1861)" (Köln, Museum für Ostasiatische Kunst. Ausstellung in der Eigelsteintorburg 1963) her, Watanabe no Tsuna, der rothäutige Sakata no Kintoki, Usui no Sadamitsu und Urabe no Suetaka. Im gesamten Hintergrund breitet sich ein Heer von Dämonen verschiedenster Gestalt aus. Dieses Triptychon, so sagen es einhellig verschiedene Experten, so z.B. Werner Speiser und B.W. Robinson in seinem Buch "Kuniyoshi. Victoria and Albert Museum" (London, Her Majesty’s Stationery Office 1961), wurde ca. 1843 gedruckt und von den Behörden kurze Zeit später verboten. Auf einem kleinen Tisch vor Raiko steht das okimono eines Hasen, was auf das Jahr des Hasen (1843) hinweisen könnte. Auch entspricht die Signatur Kuniyoshis derjenigen, die er Anfang der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts benutzte. Die Blätter tragen keine Zensursiegel, obwohl dies zu der Zeit der Veröffentlichung obligatorisch war. Man warf Kuniyoshi von Behördenseite vor, den unfähigen Shogun Ieyoshi, der von 1837-1853 regierte, und seinen Premierminister Mizuno Tadakuni in diesen Blättern karikiert zu haben. In diese Zeit fallen Anti-Luxus-Gesetze, die durch die sogenannte Tempo-Reform 1842 beschlossen wurden. Durch sie wurden auf japanischen Farbholzschnitten u.a. Kurtisanen- und Schauspielerbildnisse untersagt und die Anzahl der Druckplatten beschränkt. Trotz des Verbots und der Strafe, die Kuniyoshi bekam, existiert dieses Triptychon in mehreren Varianten. Nach der Erstauflage des Urhebers Kuniyoshi ist es wohl als Raubdruck nachgeahmt worden. Der Erstdruck zeichnet sich durch die Angabe des Künstlers Ichiyusai Kuniyoshi und Verlegers Iba-ya Senzaburo auf allen drei Blättern aus. Er ist von guter Qualität in Schnitt und Farben. Abgebildet ist diese Holzschnitt-Folge bei Robinson schwarzweiß und, dasselbe Triptychon, farbig bei Nelly Delay "L’Estampe japonaise" (Paris, Editions Hazan 1993) und bei Muneshige Narazaki "Ukiyo-e Masterpieces in European Collections 5. Victoria and Albert Museum II" (Tokyo, Kodansha 1989). Ein qualitativ vergröberter Nachschnitt, der auf allen drei Blättern die Signatur- und Verlagsbezeichnung trägt, ist mir durch Kopie bekannt. Dieselbe Folge, mit fehlender Signatur- und Verlagsbezeichnung auf dem mittleren Blatt, ist schwarzweiß abgebildet bei Sotheby Parke Bernet & Co. "Fine Japanese Prints, Illustrated Books and Paintings" (London, 10.11.1982). Der gleiche Nachschnitt, allerdings nur mit Signatur- und Verlagsbezeichnung auf dem linken Blatt, der bei Robinson erwähnt wird, liegt mir selbst im Original vor und ist auch schwarzweiß zu sehen bei Sotheby Parke Bernet & Co. "Fine Japanese Prints, Illustrated Books, Drawings and Paintings, and Japanese Screens" (London, 26.5.1982). Die Farbgebung ist hier stark vereinfacht (Schwarz, Grau, Grün, Rot, Blau und Braun) mit Verzicht auf die bokashi-Technik (Verwischungen) und besonders die Farbplatte für den Untergrund des rechten Blattes zeigt starke Schäden. So befindet sich rechts unten eine kreisrunde unbedruckte Stelle und rechts neben dem unteren Schriftbanner ist eine mehrere Zentimeter lange Linie zu sehen. Robinson schreibt die Nachschnitte dem Künstler Sadahide und dem Drucker Sakurai Yasubei zu, die 1844 dafür verurteilt worden seien. So, wie ich hier die verschiedenen Varianten dieses Triptychons aufgezählt habe, folgen sie auch druckgeschichtlich aufeinander. Neben diesen Drucken sind auch genaue Nachzeichnungen des Triptychons bekannt. Ein solches farbig gezeichnet Triptychon sieht man schwarzweiß bei Lempertz Auktion 554 "Ostasiatische Kunst" (Köln, 12.11. 1976). Das linke Blatt trägt die Bezeichnung Kuniyoshi ga utsusu (kopiert). Die Zeichnung ist nach Vorlage des Erstdruckes entstanden, denn sie weist alle Charakteristika dessen auf. Der Mut Kuniyoshis, an der Zensur vorbei dieses, die Obrigkeit karikierende, Triptychon zu publizieren und die Tatsache der, nach dem Verbot, auftauchenden Raubdrucke und gezeichneten Kopien beweist, wie schwach die damalige Regierung tatsächlich war. An diesen Vorgängen kann man aber auch die nicht nur künstlerische, sondern auch politische Haltung einiger damaliger japanischer Künstler ablesen. Der Aspekt der politischen Stellungnahme wurde in den Werken über japanische Farbholzschnitte bisher kaum berührt. Hier liegt noch ein interessantes Feld für Untersuchungen brach.

Gordon Friese

RaikoSpecial

Kuniyoshi: Raiko und die Erdspinne. Erstdruck (Viktoria and Albert Museum)

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