Home
 Bibliothek
 Auktionen
 Sharaku
 Hiroshige
 Hokusai
 Bremen 2001

Japanische Tage in Bremen 2001

Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens des Ostasiatischen Vereins Bremens finden in Bremen zahlreiche Veranstaltungen statt, die Begegnungen zwischen Asien und Europa zum Thema haben. Hier seien nur die Ereignisse mit einem Bezug zu japanischen Holzschnitten kommentiert.

Die Bremer Kunsthalle, am Rande der Innenstadt gelegen, besitzt heute an japanischen Holzschnitten rund 550 Blätter und 55 illustrierte Bücher. Dieser Bestand speiste sich vornehmlich aus drei Quellen. Zunächst entsandte Gustav Pauli, der erste wissenschaftliche Direktor der Kunsthalle, 1905 Friedrich Perzynski,den noch jungen Autor einer Monographie über den japanischen Künstler Hokusai, nach Japan, um dort in knapp zwei Jahren einen bedeutenden Bestand japanischer Holzschnitte und Bücher zu kaufen. Finanziert wurde dieser Ankauf durch den Mäzen Heinrich Wiegand, Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd. Perzynski erwarb bei dieser Gelegenheit 440 Blätter und 45 illustrierte Bücher. Ein Teil der Blätter wurde später in Bremen verkauft, womit die erheblichen Reisekosten refinanziert wurden. Der Rest ging je zur Hälfte an die Kunsthalle und an Wiegand. Doch auch Wiegands Anteil kam wenig später der Kunsthalle zugute, denn nach dessen Tod 1909 erhielt die Kunsthalle dieses Erbe. Sammlungen von Dr. H. Schmidt und Johann Friedrich Lahmann vervollständigten den heutigen Bestand.

Der Bestand der Bremer Kunsthalle an japanischen Holzschnitten ist von besonders hoher Qualität. In zwei gut bearbeiteten Katalogen, die 1990 und 1993 erschienen sind, wird etwa ein Drittel der Sammlung gezeigt und akkurat beschrieben. Um so schmerzlicher erscheint jetzt, daß sich in die aktuelle Ausstellung “Kauft Hokusai. Kunsthalle” einige gravierende Fehler eingeschlichen haben. Die Ausstellung umfaßt nur 33 Werke. Erläuternde Texte, die einen Zusammenhang zwischen den Blättern herstellen, gibt es, bis auf einen im Foyer der Ausstellung, nicht. Und gerade in diesem, sowie im Text eines Kataloges, der zu dieser und anderen Ausstellungen in Bremen erschienen ist, wird ein Zitat, das zum Motto der Ausstellung wurde, falsch erklärt. Perzynski stieß gleich am Beginn seiner Exkursion auf ein seltenes kakemono von Hokusai zu einem angemessen hohen Preis. Doch als einzelner Posten war es Perzynski zu teuer, angesichts seines knappen Etats. Um es dennoch für Deutschland zu retten, faßte er einen Berliner Millionär als Käufer ins Auge. Also bat er die Kunsthalle zur Unterstützung seines Anliegens um eine Depesche an den Millionär mit dem appellativen Inhalt "Kauft Hokusai. Kunsthalle". Was daraus geworden ist, wissen wir nicht. Im Foyer der Ausstellung wird dagegen erklärt, Perzynski habe direkt an die Kunsthalle appelliert, Hokusai zu kaufen. Leider sei diese aber wohl nicht darauf eingegangen und in den Inventarlisten tauche dieses Blatt auch nicht auf. Die Flüchtigkeit im Umgang mit solchen Angaben setzt sich auch in der Ausstellung fort. Einige Signaturen der Holzschnitte werden falsch wiedergegeben. So steht beispielsweise an einem Triptychon, es sei Ichikawa hitsu signiert, obwohl auf den Blättern Ichikawa Toyonobu hitsu zu lesen ist. Doch auch an anderen Stellen finden sich solche Unrichtigkeiten. An einem unbezeichneten Blatt des 17. Jahrhunderts liest man ‚Holzschnitt in Schwarz‘, zu sehen ist aber ein Blatt, das nur in diesem Exemplar bekannt ist, mit herrlichster Kolorierung. Erläuterungen zu den Bildinhalten finden sich kaum oder nur in knapper, oft nicht ausreichender Form. All das ist um so bedauerlicher, als in den zwei erwähnten Katalogen die jetzt ausgestellten Blätter mustergültig beschrieben wurden. Auch Perzynskis Reisebriefe sind dort nachzulesen. Ein Rückgriff auf diese hauseigenen Veröffentlichungen hätte genügt, um alle Fehler zu vermeiden.

Die Ausstellung selbst ist hochkarätig besetzt. Man findet Masanobu, Harunobu, Shunsho, Kiyonaga, Shun’ei, Sharaku, Utamaro, Eishi, Toyonobu, Gakutei, Hokusai, Masamochi, Eizan, Hiroshige, Kunisada und ein paar Blätter von anonymen Künstlern. Ein Holzschnitt von Masanobu (ca. 1686-1764) soll hier stellvertretend für die übrigen Blätter etwas genauer beschrieben werden. Mit ihm als Blickfang wird für die Ausstellung geworben. Der mit matten Rot- und Grüntönen kolorierte Schwarzdruck (beni-e) zeigt die Dichterin Ono no Komachi (9. Jahrhundert) beim Auswaschen eines Buches. Sie selbst kniet, ihr blumenverziertes Übergewand wie eine Schleppe hinter sich, wie hingegossen vor einem Kessel, in dem sie ein Manuskript der berühmten Gedichtsammlung Mannyoshu wäscht. In dies Manuskript hatte der Dichter Kuronushi, der in einem Wettbewerb vor dem Kaiser gegen Komachi antreten sollte, ihr Gedicht geschrieben, das er erlauschte. Da er gegen sie zu unterliegen fürchtete, beschuldigte er sie am Tag des Wettbewerbs des Plagiates. Ono no Komachi reinigte sich von diesem Vorwurf, in dem sie das Manuskript dem Wasser aussetzte, wobei die alte wasserunlösliche Tinte erhalten blieb und nur ihr Gedicht verschwand. Ihr Gedicht, das auf dem geöffneten Manuskript in den Händen der Dichterin zu sehen ist, lautet: Aus welcher Saat gehen die schwimmenden Pflanzen hervor, die - ohne jemals gesät worden zu sein - so kraftvoll wachsen und auf den Wellen des Meeres hin und her wogen?

Im Paula Modersohn-Becker Museum, das mitten in der Böttcherstrasse liegt, findet die Ausstellung “Japan und der Westen. Eine Gegenüberstellung wechselseitiger Wahrnehmung” statt. Japan hatte sich etwa 250 Jahre lang fast vollkommen von der Außenwelt abgeschottet, bis die USA durch Kanonenbootpolitik diesen Zustand mit der Ankunft Commodore Perrys 1853 beendeten. Japan öffnete seine Grenzen für fremde Mächte und leitete damit Reformen im Lande ein, die zu umfassenden Umwälzungen Anlaß gaben, bis zum Aufstieg zu einer der ersten Wirtschaftsmächte der Welt. Die Zeit der Isolation war auch die der Blüte des japanischen Farbholzschnitts. Mit Öffnung der Grenzen endete die Kunstrichtung des ukiyo-e (Bilder der fließenden vergänglichen Welt). Waren bis dahin vor allem schöne Frauen, Schauspieler und Landschaften die hauptsächlichen Themen der Holzschnitte gewesen, kamen nun westliche Errungenschaften als neue Motive hinzu und verdrängten die alten Darstellungen. Der Holzschnitt erfuhr einen Wandel zum Massenmedium und seine künstlerische Bedeutung sank, bis er wiederum durch die aufkommende Fotografie abgelöst wurde. Auf rund 70 Werken zeigt die Ausstellung die Veränderung, die das Bild des Ausländers in den Augen der Japaner durchmachte. Dieser Prozeß reicht von der als Titelbild der Schau verwandten Darstellung von Yoshifuji, auf der er 1861 einen gestandenen Sumo-Ringer zeichnet, der einen äffisch aussehenden Ausländer in überlegener Manier zu Boden wirft, bis zu einem Triptychon von Chikanobu, der 1890 den Meiji-Kaiser und japanische Palamentarier in westlicher Kleidung und in westlichem Interieur zeigt. Rasch eignete sich Japan den westlichen Lebensstil an und entging damit der Gefahr der Kolonialisierung. Das Land wurde innerhalb von wenigen Jahren durch die Eisenbahn erschlossen, die Armee führte Feuerwaffen ein, große Bauten wurden in Stein errichtet und schließlich orientierte man sich auch in der Mode an den Ausländern. All das wurde auf den Holzschnitten tagesaktuell festgehalten. Besonders Künstler wie Hiroshige III, Sadahide und Yoshitora haben sich hier hervorgetan. Doch die so gesehenen Ausländer schauten auch zurück. Dies wird durch Fotos dokumentiert, die Felice Beato (1830-1903) und Raimund von Stillfried-Rathenicz (1839-1912) in Japan anfertigten. Auf ihnen sieht man im Studio aufgenommene Japaner, die noch unberührt von der modernen Zeit erscheinen. Während Westler das Exotische suchten, waren es für Japaner vor allem die technischen Errungenschaften, für die sie sich interessierten. Eine Abrundung erfährt die Ausstellung durch einige moderne Fotografien, die von Thomas Struth (*1954) und Katharina Mayer (*1958) inszeniert wurden. Auf ihnen sind es moderne Japaner, die mit westlichen Augen gesehen werden.

Zu dieser Ausstellung ist ein Katalog erschienen, ein Reprint des 1988 im Belser Verlag gedruckten Buches von Gerhard Dambmann “Wie Japan den Westen entdeckte. Eine Geschichte in Farbholzschnitten”. Der Reprint trägt den modifizierten Titel “Japan und der Westen. Eine Geschichte in Farbholzschnitten”. Diese Wiederauflage macht durchaus Sinn, da fast alle ausgestellten Holzschnitte mit den im Buch abgebildeten identisch sind. Außerdem erschließt ein informativer Text den zeitlichen Hintergrund der Blätter.

Das 1896 gegründete Übersee-Museum Bremen liegt verkehrsgünstig neben dem Bremer Hauptbahnhof. Spätestens bevor man Bremen verläßt, sollte man hier einkehren. Es ist eine Fundgrube für alle, die an der Südsee, Asien, Afrika und Amerika interessiert sind. Die Geschichte, Kultur und Landeskunde der verschiedenen Kulturräume wird hier dem Besucher in Dioramen, auf Schautafeln und durch eine Vielzahl von Exponaten anschaulich nahe gebracht. Japan darf mit einem japanischen Garten und einer kleinen Ausstellungsfläche im Erdgeschoß einen eigenen Bereich beanspruchen. Gleich nebenan findet man das Schaumagazin Übermaxx im Gebäude des Großkinos CinemaxX. Es beherbergt das Archiv des Übersee-Museums und bietet jedem Interessierten darauf vollen Zugriff! Auch eine Sammlung japanischer Farbholzschnitte findet sich, verteilt auf 5 Grafikschränke, im dritten Stockwerk des Gebäudes. Besucher dürfen deren Schubladen selbst öffnen. Sie sind nach oben hin verglast und lassen so den Blick auf die inliegenden Grafiken zu. Etwa 70 japanische Farbholzschnitte sind zu sehen. Es handelt sich meist um Blätter von Künstlern aus der Spätzeit des ukiyo-e. Hiroshige, Kunisada, Kuniyoshi und Kunichika sind mehrheitlich vertreten. Leider handelt es sich bei den Blättern häufig um spätere Abzüge, deren Druck- und Erhaltungszustände meist zu wünschen übrig lassen. An den Objekten fehlt jede Beschreibung. Aufgestellte Computer, die von Besuchern benutzt werden dürfen und die alle Exponate numerisch verzeichnen, bieten zur Zeit kaum weiterführende Informationen. Hier kann nur auf baldige Abhilfe gehofft werden. Als Ergänzung zu anderen Ausstellungen ist eine Besichtigung dieses Bestandes aber durchaus zu empfehlen.

Kunsthalle Bremen, Am Wall 207, 28195 Bremen. Tel. 0421-329080. Ausstellung “Kauft Hokusai. Kunsthalle”. Dauer: bis 20. Mai 2001. Öffnungszeiten: Dienstag 10-21 Uhr, Mittwoch-Sonntag 10-17 Uhr.

Paula Modersohn-Becker Museum, Böttcherstr. 6-10, 28195 Bremen. Tel. 0421-3365066/77. Ausstellung “Japan und der Westen”. Dauer: bis 15. April 2001. Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag 11-18 Uhr.

Übersee-Museum, Schaumagazin, Bahnhofsplatz 13, 28195 Bremen. Tel. 0421-3619736. Ausstellung “Wege nach Asien. 100 Jahre Ostasiatischer Verein Bremen e.V.”. Dauer: 23. Februar bis 28. Oktober 2001. Öffnungszeiten: Museum Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr; Schaumagazin Mittwoch-Freitag 11-21 Uhr, Samstag-Sonntag 12-18 Uhr.

[Home] [Bibliothek] [Auktionen] [Sharaku] [Hiroshige] [Hokusai]